Es gibt viele Herausforderungen, die von Institutionen und Unternehmen aus Deutschland und den Niederlanden gemeinsam angegangen werden müssen. Das ist das Resümee eines Online-Meetings, dessen Teilnehmer sich intensiv mit der Zukunft des grenzüberschreitenden Arbeitsmarkts auseinandergesetzt haben. Dazu eingeladen hat die Arbeitsmarktplattform der Euregio Rhein-Waal, eine Arbeitsgemeinschaft mehrerer Partnerorganisationen in Nordrhein-Westfalen und den niederländischen Provinzen Gelderland, Noord-Brabant und Limburg.
„Der grenzüberschreitende Arbeitsmarkt steht vor vielen Herausforderungen“, eröffnete Sjaak Kamps, Geschäftsführer der Euregio Rhein-Waal das „Zoom“-Meeting. Unter der Moderation von Frank Wöbbeking hatten sich rund 45 Unternehmer und Arbeitsmarktexperten von beiden Seiten der Grenze zusammengeschaltet. Kamps betonte weiter, dass der Arbeitsmarkt schon jetzt international ausgerichtet sei. Das werde sich künftig jedoch noch intensivieren. Doch die Corona-Pandemie zeige, dass es – im wahrsten Sinne des Wortes – „Grenzen“ gibt. „Unsere Beratungsstelle, der GrenzInfoPunkt Rhein-Waal, wurde von Anfragen förmlich überflutet. Vor allem, nachdem die Niederlande von Deutschland zum Hochinzidenzgebiet erklärt worden waren“, erzählte Kamps. „Das hat einmal mehr verdeutlicht, wie eng unsere Grenzregion miteinander verflochten ist.“
Anschließend machte er auf die Grenzlandagenda 2021 aufmerksam, in der beschlossen wurde, die grenzüberschreitende Arbeitsvermittlung zu intensivieren. Dazu soll in Kleve ein sogenannter SGA (Service Grenzüberschreitende Arbeitsvermittlung) installiert werden. Gleichzeitig sollen das Erlernen der Nachbarsprache in Bildungseinrichtungen gefördert und die Anerkennung von Berufsabschlüssen vereinfacht werden. „Um das in die Tat umsetzen zu können, müssen Unternehmen, Bildungseinrichtungen und Behörden an einem Strang ziehen“, so Kamps.
Corona als positiver Effekt
Nun durften auch die anderen Anwesenden aktiv werden: Sie verteilten sich auf drei Workshops, die unterschiedliche Aspekte des grenzüberschreitenden Arbeitsmarkts beleuchteten. Im ersten Workshop wurde die Idealvorstellung eines Arbeitsmarktes thematisiert, in dem Kompetenzen und Fähigkeiten anstatt Zeugnisse und Berufsabschlüsse zählen. Es sei eine Entwicklung, die bereits in Gang gesetzt wurde, jedoch viel Arbeit und Mühe erfordere. Schon jetzt seien technische Hilfsmittel in der Entwicklung, die es Arbeitgebern erleichtern, die Kompetenzen von Bewerbern zu bewerten. Der Wunsch von ihnen: Man sollte grenzüberschreitend weiter an dieser Idee arbeiten – auf deutscher Seite auch unter Einbeziehung der Handwerkskammern und IHKs.
Menschen mit Behinderung grenzüberschreitend vermitteln
„Grenzüberschreitendes Arbeiten mit einem Handicap“ war der Titel des zweiten Workshops. Die Teilnehmer stellten fest, dass die Strukturen und Möglichkeiten in Deutschland anders sind als in den Niederlanden. Dort gebe es beispielsweise keine geschützten Arbeitsräume für Menschen mit Behinderung. Diejenigen, die hierzulande etwa in einer Werkstatt für behinderte Menschen arbeiten, seien in den Niederlanden Teil des normalen Arbeitsmarkts. Dennoch sei es grundsätzlich möglich, diese Menschen grenzüberschreitend zu vermitteln, man müsse aber den Einzelfall betrachten. Aufgrund der Wichtigkeit dieses Themas möchten die Experten – unter anderem vom LVR, der Agentur für Arbeit, den Jobcentern sowie den niederländischen Partnern UWV und WerkgeversServicepunt Achterhoek – im intensiven Austausch bleiben und an gemeinsamen Lösungen arbeiten, den grenzüberschreitenden Arbeitsmarkt für Menschen mit Behinderung barrierefrei zu machen.
Des Themas „Hilfestellungen in der Pandemie“ nahm sich der dritte Workshop an. Ein Beispiel ist das niederländische Modell der Mobilitätszentren, die sich derzeit im Aufbau befinden. Sie sollen Mitarbeiter von Firmen, die aufgrund der Pandemie zurzeit nicht im Normalbetrieb arbeiten können, temporär an Unternehmen vermitteln, die Arbeitskräfte dringend suchen. „Ein Restaurant, das zurzeit geschlossen ist, kann seine Mitarbeiter für die Zeit der Krise zum Beispiel an einen Onlineversand verleihen, der Unterstützung benötigt“, erklärte Stefanie Rösing vom WerkgeversServicepunt Achterhoek. Bei der Agentur für Arbeit liegt der Schwerpunkt der Unterstützung auf den Bereichen Aus- und Weiterbildung, damit der Fachkräftemangel nicht verschärft wird. Inwieweit diese beiden Ansätze auch grenzüberschreitend genutzt werden können, hängt vom Einzelfall ab.
Weiterer Austausch in Planung
„Wir haben festgestellt, dass es für den grenzüberschreitenden Arbeitsmarkt keine allgemeingültigen und fertigen Lösungen gibt, sondern, dass man viele Aspekte gesondert betrachten muss“, zog Sjaak Kamps als Fazit, nachdem sich alle wieder im Plenum eingefunden hatten und die Ergebnisse der Workshops vorgestellt worden waren. Im Rahmen der Arbeitsmarktplattform möchte die Euregio Rhein-Waal auch künftig einen Austausch ermöglichen. Zum Schluss machte er noch darauf aufmerksam, dass in der nächsten Phase des EU-Förderprogramms INTERREG ab 2022 die Themen Soziales und Europa eine wichtige Rolle einnehmen. Dabei liegt der Fokus vor allem auf den Punkten Inklusion, Bildung und Arbeitsmarkt. Es gibt also reichlich Potenzial für INTERREG-Projekte, mit denen die Hindernisse, die in den Workshops angesprochen wurden, aus dem Weg geräumt werden können.