Niederländischer Anwalt mit „Berliner Schnauze“

Hindernisse für Arbeitnehmer in einem anderen EU-Land probiert die Europäische Union bestmöglich aus dem Weg zu räumen. Dass dies zunehmend der Fall ist, kann Rechtsanwalt Wouter Timmermans, Leiter des German Desk der Arnheimer Kanzlei Stellicher advocaten NV und Vorsitzender des deutsch-niederländischen Businessclubs Gelderland, bestätigen. Er lebte und arbeitete lange Zeit in Berlin, bis er im vergangenen Jahr in die Niederlande zurückkehrte. Dieser Artikel gibt einen Einblick in seine Erfahrungen als Ein- und Auswanderer zwischen den beiden Ländern.

Schon früh hatte Wouter Timmermans eine Vorliebe für Deutschland. Geboren und aufgewachsen in Arnheim, war Deutschland nie weit weg. Deutsche Fernsehsendungen wie „Wetten, dass..?“ und „Tatort“ waren bei ihm zu Hause fester Bestandteil. Diese Vorliebe für das Nachbarland wurde durch die Tatsache verstärkt, dass er und seine Familie häufig Urlaub in Deutschland und der Schweiz machten. Sein großes Interesse an der deutschen Geschichte, Kultur und Literatur spielte ebenfalls eine wichtige Rolle.

Als Wouter Timmermans 2004 die Möglichkeit hatte, mit einem Erasmus-Stipendium in Berlin zu studieren, ergriff er entschlossen diese Chance. Nach dem Auslandsaufenthalt kehrte er in die Niederlande zurück. Er mochte Berlin jedoch so sehr, dass er sich entschied, in der Bundeshauptstadt zu leben und zu arbeiten. Bis Anfang 2018 führte er in der Stadtmitte, am Hackeschen Markt, zusammen mit einem deutschen Anwalt eine deutsch-niederländische Kanzlei. Er war auch Gründer und langjähriger Vorsitzender des Deutsch-Niederländischen Businessclubs Berlin.

Europäische Gesetzgebung

Wouter Timmermans hat sein Studium jedoch in den Niederlanden abgeschlossen und ist daher niederländischer Rechtsanwalt. Das hätte ein weiteres Problem bedeuten können, wenn man nur an die strengen Vorschriften in Deutschland denkt. Dank der europäischen Gesetzgebung war es für ihn letztlich aber kein Problem, sich in Berlin als Rechtsanwalt niederzulassen und von dort aus zu arbeiten. Es war ihm sogar möglich, vor deutschen Gerichten einen Prozess zu führen. Daran waren jedoch einige Bedingungen geknüpft: „Unter der Bedingung, dass ich in den Niederlanden als Rechtsanwalt zugelassen war, konnte ich meinen Beruf in Deutschland ausüben. Zudem durfte ich mich in Deutschland nicht ‚Rechtsanwalt‘ nennen. Stattdessen musste ich die niederländische Version verwenden: ‚advocaat‘ oder ‚niederländischer Anwalt‘“, erklärt Wouter Timmermans.

Im Jahr 2018 kehrte er wieder nach Arnheim zurück, um sich von dort aus auf den deutsch-niederländischen Markt zu konzentrieren. Seine Rückkehr war ebenfalls einfach und problemlos. Er konnte seine deutsche Krankenversicherung leicht wieder auf eine niederländische umstellen, das galt auch für seine Renten- und Sozialversicherung.

Stereotypen

Wouter Timmermans hat in beiden Ländern Berufserfahrung gesammelt und kennt daher die deutsche und niederländische (Arbeits-)Kultur gut. Auf die Frage, was er von den Unterschieden zwischen Deutschen und Niederländern halte, antwortet er mit einem Lächeln: „Ich denke wirklich wieder an die Stereotypen. Die Niederlande waren schon immer eine Handelsnation, Deutschland ein Industriestaat. Deshalb hat der Niederländer in der Regel mehr Flexibilität, wenn es darum geht, Geschäfte zu machen. Tritt in der Zwischenzeit ein Problem auf, wird es einfach gelöst. Vereinbarungen müssen nicht immer schriftlich festgehalten und können leichter geändert werden.“ Bei den Deutschen ist das ihm zufolge ganz anders. In Deutschland wird im Voraus überlegt, welche Risiken entstehen könnten. Diese potenziellen Risiken werden dann in der Planung berücksichtigt. Wouter Timmermans: „Alles wird am liebsten detailliert ausgearbeitet und dokumentiert, Überraschungen sind unerwünscht und werden durch die strikte Planung mehr oder weniger ausgeschlossen. Das lässt wenig Spielraum für Flexibilität, führt aber letztendlich zu einem engen und gut durchdachten Plan. Ich habe auch festgestellt, dass die Deutschen ihre Arbeit sehr ernst nehmen und dass die Niederländer eher dazu neigen, einen Spaßfaktor einzuführen, der dazu führen soll, mit Freude zur Arbeit zu gehen und sie nicht als lästige Pflicht anzusehen.“

Ein Beispiel, bei dem sich Unterschiede zwischen Niederländern und Deutschen deutlich zeigen, sind nach Meinung von Wouter Timmermans Informations- und Netzwerkveranstaltungen: „In Deutschland sind sie meist rein informativ. Präsentationen dauern oft lange und die Deutschen stellen danach gerne kritische Fragen. In den Niederlanden sind ähnliche Treffen oft informeller, oberflächlicher und kürzer.

Hierarchische Strukturen

Wouter Timmermans spricht auch über die deutlich vorhandenen hierarchischen Strukturen im deutschen Arbeitsalltag. Es ist und bleibt ein konservatives Land. Einander siezen, ist etwas, was er in Deutschland endlich zu schätzen gelernt hat: „Es ist respektvoll gegenüber seinen Kollegen, besonders, wenn es sich um einen Kollegen handelt, der viel älter ist als man selbst. Zudem sind Hierarchien auch im niederländischen Arbeitsalltag üblich, aber aufgrund des Duzens und der Verwendung sogenannter ‚Open-Door-Policies‘ scheint es, als ob es im niederländischen Geschäftsleben nicht der Fall wäre.

Er hat jedoch festgestellt, dass in Deutschland ein Wandel in diesem Bereich im Gang ist, insbesondere bei den jüngeren Generationen. Zudem hängt es stark von der Branche und dem Standort des Unternehmens ab, ob und in welcher Form eine Hierarchie entsteht: „Bei Berliner Start-ups kommen die Mitarbeiter einfach in Jeans und Sneakers zur Arbeit, jeder wird mit seinem Vornamen angesprochen. Flex-Arbeitsplätze sind üblich und es kann durchaus sein, dass Englisch die Arbeitssprache ist. Aber das ist bei einer Maschinenbaufabrik außerhalb einer Großstadt wahrscheinlich nicht der Fall.“ Nach Meinung von Wouter Timmermans basiert die Entscheidung niederländischer Manager, die niederländische Unternehmenskultur ohne Anpassung in ein deutsches Unternehmen zu bringen, auf einer falschen Einschätzung: „‚Nennen Sie mich einfach Piet‘ wird nicht überall funktionieren. Im Gegenteil: Es kann ziemlich nach hinten losgehen.“

„Berlin, ick liebe dir!“

Seit etwas mehr als einem Jahr ist Wouter Timmermans wieder in den Niederlanden. Obwohl er in Arnheim geboren wurde, fühlt er sich in Berlin wirklich zu Hause. Gelegentlich genießt er ein Wochenende in seiner Wohnung in der Bundeshauptstadt. Die Spreemetropole ist laut Wouter die derzeit spannendste Stadt Europas. Um mit den Worten von Wouter abzuschließen: „Berlin, ick liebe dir!“